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Real-Time-Fashion – Schmutziges Geschäft auf Kosten anderer

Lesedauer ca. 4 Minuten

Kaum eine Branche ist so dreckig und voller Ausbeutung wie die der Textilindustrie. Vor eigenen Jahren haben wir noch über Fast Fashion und Ultra-Fast-Fashion berichtet, doch das ist schon lang wieder Vergangenheit, denn seit 2008 gibt es ein Unternehmen, das in Sachen Fashion Online-Handel neue Rekorde sprengt und Real-Time-Fashion produziert.

Wir werden den Namen des Unternehmens nicht nennen, denn wir möchten ausschließlich auf das Konstrukt dahinter aufmerksam machen. Was steckt dahinter? Wie schnell müssen Menschen arbeiten, damit Kunden Real-Time-Fashion konsumieren zu können? Welche Marketingstrategie macht das Unternehmen so erfolgreich? Fragen über Fragen, die wir in diesem Blogbeitrag beantworten – im Hinblick auf die Konsequenzen für Mitarbeiter und Natur.

Bequem, schnell und unkompliziert – so sieht der heutige Shopping-Alltag aus, den immer mehr Kunden nutzen. Ob Elektrogeräte, Möbel, Kleidung oder sogar Medikamente – kaum etwas wird heute nicht über den Online Handel ver- bzw. gekauft. Der unschlagbare Vorteil dieser Art von Konsum: Shopping bis vor die Haustüre ohne das Sofa zu verlassen.

Was zeichnet das Unternehmen aus?

Das am schnellsten wachsende E-Commerce Unternehmen der Welt hat es geschafft, Mode extrem billig, immer und jederzeit verfügbar zu machen. Fashion Trends in Echtzeit. Dafür stellt der Online-Shop täglich (!) mehrere tausend neue Artikel zur Verfügung, die den neuesten Trends nachahmen. Spottbillig!

Wie schnell & wo arbeiten die Hersteller?

75 Stunden pro Woche und maximal ein Tag Urlaub im Monat ist normal bei diesem Real-Time-Fashion Händler.

Die in China ansässige Firma produziert im eigenen Land, um flexibel und schnell handeln zu können. Die Lieferketten des Giganten sind nicht nachvollziehbar. Zwischen Produktion und Bereitstellung der Produkte liegen maximal vier Wochen Abwicklung. Nach Angaben des Händlers produziert er ausschließlich in eigenem Betrieb. Recherchen einer Organisation namens „Public Eye“ ergaben allerdings, dass der Gigant mit mindestens 17 kleinen Betrieben kooperiert, die für ihn herstellen. Unter schlimmsten Arbeitsbedingungen, hochgiftigen Färbeprozessen und unzähligen Arbeitsstunden. Recherchen von Reuters (int. Nachrichtenagentur) belegen, dass das Unternehmen zahlreiche Verstöße gegen den britischen „Modern Slavery Act“ begeht und damit moderne Sklaverei (auch bei Zulieferern) betreibt.

Um die Masse an Designs anbieten zu können, lässt der Händler 50 Stück je Produkt fertigen. Je nachdem wie oft ein einzelnes Kleidungsstück innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums von Kunden angefordert wird, kann die Produktion für das jeweilige Produkt noch einmal auferlegt und die Stückzahl erhöht werden. Um den schnelllebigen Trends auch gerecht zu werden, sind alle Kleidungsstücke maximal 90 Tage im Online-Shop verfügbar. Dem Trend der Nachhaltigkeit versucht der Händler ebenfalls gerecht zu werden: Er gibt Zertifizierungen an, die nie stattgefunden haben. Verbrauchertäuschung durch Greenwashing (Versuch von Firmen, ein Handeln als umweltbewusst und -freundlich darzustellen) ist somit an der Tagesordnung.

Ethisch & moralisch verwerflich

Bei über 1.000 neuen Kleidungsstücken täglich ist es verständlich, dass auch einem Unternehmen einmal die Ideen ausgehen. Dennoch scheint es seit Jahren gang und gäbe zu sein, junge Designer ihrer Ideen zu berauben. Online zelebrierte und mühsam hergestellte Designs von (angehenden) Jung-Designern werden von dem Real-Time-Fashion Giganten kopiert und billig nachproduziert. Was folgt ist eine einzige Massenproduktion für die Hauptzielgruppe, die sich im Alter von 15-25 bewegt, in kürzester Zeit. Während der Händler von dem Geschäftskonzept profitiert, hat es für die Umwelt fatale Folgen! Es gibt bereits zahlreiche Klagen aufgrund von Urheberrechtsverletzungen seitens der Designer.

Welches Marketing steckt dahinter?

User Generated Content – Zu Deutsch: von Kunden produzierte Inhalte in den sozialen Medien. Dies verschafft dem Unternehmen eine riesen kostenfreie Reichweite, die wiederum weitere potenzielle Kunden anspricht. Die Influencer, die regelmäßig von erworbenen Produkten schwärmen, vergeben wiederum zahlreiche Rabattcodes, die die ohnehin extrem günstigen Produkte beinahe kostenlos erhältlich macht. Somit sind die Kleidungsstücke unverzichtbar für die junge Generation. Ein Teufelskreis einer ultraschnelllebigen Mode, deren Konzept wohl nicht mehr so schnell abklingt.

Influencer Marketing ist die Strategie von Real-Time-Fashion Giganten.

Einmal tragen um auf Mülldeponien zu landen

Wir haben ein echtes Problem! Unsere Welt versinkt und erstickt im Plastikmüll. Dies wird nicht in naher Zukunft so sein – das ist bereits bittere Realität! Die Ware des Real-Time-Fashion Giganten ist nichts anderes als genau das. Denn sie wird in so minderwertiger Qualität produziert, sodass sie nach einmaligem Tragen und Waschen nicht nur out, sondern auch eingehen, durchsichtig werden oder sich Nähte lösen. Wegwerfware in einer Wegwerfgesellschaft. Doch welche Müllprobleme durch die Verwendung von Einwegplastik-Verpackungen und reiner Polyesterbekleidung auf uns warten, ist vielen aktuell egal.

Zwar ist das Müll- und Recyclingproblem ein anderes großes Thema, allerdings möchten wir an dieser Stelle einmal auf die Dokumentation „Recycling-Lüge“ in der ARD Mediathek hinweisen. (Verfügbar bis zum 20.06.2023)

Es beginnt bei den Konsumenten

Zu Verzichten ist wohl der erste und einzige Schritt gegen das üble Konzept der Real-Time-Fashion vorzugehen. Jeder Konsument und jede Konsumentin sollte hinterfragen, ob er oder sie das jeweilige Bekleidungsstück überhaupt braucht und ob es eine Reise um die halbe Welt für ein einmaliges Tragen wirklich wert ist. Für die starke Verschmutzung unserer Umwelt und für die zahlreichen ausgebeuteten Menschen. Die Produkte bestehen aus reiner Chemie und haben mit Sicherheit auch negative gesundheitliche Auswirkungen auf die Person, die die Kleidungsstücke letztendlich trägt.

Second-Hand als Alternative zu Real-time-Fashion.

Fair Fashion & Second-Hand als Alternativen

Investiere lieber in einzigartige Produkte mit hoher Qualität. Sie halten eine gefühlte Ewigkeit und können durch zweite oder sogar dritte Hand immer wieder für Freude sorgen, wenn die Produkte nicht mehr dem eigenen Geschmack entsprechen. Das nachhaltigste Bekleidungsstück ist das, was du bereits im Kleiderschrank hast. Konsum ist ein Luxus und Mode ist ein Handwerk, das wertgeschätzt werden sollte. Nicht nur um unsere Umwelt, sondern auch um Menschen vor moderner Sklaverei zu schützen.

Quellen

https://www.reuters.com/
https://www.nordbayern.de/
https://stories.publiceye.ch/

 

Kommentare (5)

  • 111
    am 9. Oktober 2022 um 13:04 Uhr

    Danke für den Artikel (:
    Ich muss in meiner Schule einen Vortrag über das Thema halten und mir wird immer mehr klar, wie schlimm es steht…und wir rücksichtslos auch wir Konsumenten sind, nur um unsere eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.

    • TRIGEMA Online Team
      am 10. Oktober 2022 um 08:40 Uhr

      Hallo,
      Schön, dass unser Beitrag etwas zu Deinem Vortrag beisteuern kann. Aber ja, so ist es – leider.
      Liebe Grüße!

  • Helmut Wagner
    am 14. August 2022 um 21:14 Uhr

    Danke bzgl. des Artikels über die „Wegwerf-Kleidung“.
    Mit Jugendlichen war ich in GB vor einiger Zeit in diesem „Laden“. Es war fast unmöglich den Heranwachsenden klarzumachen, dass diese „Waren“ uns Menschen mehr Probleme als Vorteile bringen. Die Altersgruppe wird durch den Verkaufspreis geradezu animiert zuzugreifen. Die Aufklärung über die negativen Zusammenhänge müsste in Schule u. zu Hause erfolgen. Die Öffentlichkeit müsste hierüber durch die Presse viel öfter informiert werden; außerdem wäre es angebracht dass sich unsere Politikvertreter ehrlich/überzeugt des Themas annehmen.

  • FLOROfino Maria Gleißner,
    am 6. August 2022 um 21:25 Uhr

    Sehr geehrte Damrn und Herren
    Vielen Dank für den traurigen Artikel, sie haben ja so recht.
    Wegwerfgesellschaft sollte es eigentlich schon lange nicht mehr geben. Es gibt gerade ganz viele Dinge um ansetzen. Zum Glück gibt’s auch noch ab und zu gute Politiker die sich einsetzen
    Wünsche Ihnen alles Gute, bleiben Sie dran ich mach schon lange mit, Meine Kleidung ist oft 10 Jahre alt, Mein Job (selbständige Floristin am Markt) lässt es zu das ich nicht modisch zu sein brauche
    Dankeschön
    Mit freundlichen Grüßen
    Maria Gleißner

    • Thomas Kerk
      am 15. August 2022 um 17:53 Uhr

      Es wird immer skuriler… Da ist es ausnahmsweise gut, dass die Energiepreise zur Zeit neue Rekorde erreichen und dadurch die Logistik der genannten Waren verteuern.
      Was sagt der Affe: „Nicht nur bei Bier sondern auch bei Kleidung, Schuhen und Lebensmitteln auf Made in Germany, oder zumindest Made in Europe achten. Auch die Blaubeere oder der Spargel muss nicht unbedingt um den halben Erdball geflogen werden, um in unseren Mägen zu landen. Verzicht für ein halbes Jahr macht das Geschmackserlebnis in der anderen Jahreshälfte um so größer.“

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